Diesen Eintrag muss ich leider mit einer schlechten
Nachricht beginnen. Schon seit längerem fühlte ich mich nicht besonders fit,
der Verdacht fiel schnell auf ein alt bekanntes Problem. Meine Vermutung konnte
ich jedoch erst untersuchen, als ich wieder zurück in der Schweiz war. Und
tatsächlich, sie bestätigte sich: Mein Ferritin ist wieder einmal tiefer, als
es sein sollte. Jetzt bin ich zuversichtlich, dass ich mit neu gefüllten
Eisenspeichern wieder ein gutes Laufgefühl bekomme.
Nun kann ich zu erfreulicheren Teil übergehen. Auch wenn es
schon einige Tage, ja sogar Wochen vorbei ist, möchte ich einige Highlights von
Estland hier festhalten.
Estland
Schon als ich in der Oberstufe die Hauptstädte Europas
auswendig lernen musste, habe ich beschlossen, dass ich einmal nach Estland,
Lettland oder Litauen – Tallin, Riga und Vilnius – fahre. Einfach, weil es für
mich nicht die klassischen Feriendestinationen waren und weil man die Namen so
schön runterrattern kann. Estland, Lettland, Litauen. Dieses Vorhaben hatte ich
all die Jahre im Hinterkopf, doch konkret wurde es nie. Doch vor rund einem
Jahr wurde das erste dieser drei Länder plötzlich ziemlich interessant für
mich. Ich lernte Daisy, Gions estnische Freundin kennen. Sie und auch er
erzählten viel von diesem Land und der Reiz mehr darüber zu erfahren wurde noch
grösser, als ich mir das Euromeeting 2015 in Estland zum Ziel nahm. Lange
Vorgeschichte, doch was ich eigentlich sagen wollte: Auch wenn es mich schon
lange in diese Richtung gezogen hat, dass Tallinn ein solches Bijou, die Leute
so freundlich und hilfsbereit und die Landschaft so wunderbar skandinavisch
ist, hätte ich nicht gedacht. Mich hat es aus den Socken gehauen.
OL-Läuferin oder Rallye-Fahrerin?
Der erste Versuch ans Training auf der Paukjärv-Karte zu
kommen, war, sagen wir einmal, abenteuerlich. Als wir von der Hauptsrasse
abbogen folgte zwar eine geteerte Strasse, doch die Unmenge an Schlaglöchern
machte sogar das Fahren im Schritttempo zur Challenge. Ich war froh, als eine
Sandpiste kam, die einem zwar teilweise ziemlich durchschüttelte, doch keine
Schläge versetzte. Mir machte es Spass, dem immer kleiner werdenden Weg entlang
zu cruisen. Doch dann plötzlich standen wir vor einer riesigen Pfütze. Und noch
eine. Bis an den Start des Trainings waren es noch ca. 6km. Also testeten wir
mit einem Stock, wie tief und schlammig es war. Testbefund: sollte klappen. Tat
es dann auch. Auch bei der Nächsten, der Übernächsten und der Überübernächten.
Doch dann, die Ernüchterung. Die fünfte war keine Pfütze
mehr, sondern eher ein Wasser- und Schlammloch. Es brauchte nicht einmal den
Stock-Test, es würde unmöglich sein. Also schnürten wir die OL-Schuhe schon
dort und rannten 5km an den Start und ein Teil gleich wieder zurück. Im
Hinblick auf den Trainingswettkampf am Abend und der Rest der Woche waren dann
10km Ein- und Auslaufen genug. Wir hatten zum Glück noch die Chance, am Ende
der Woche den etwas längeren, aber besser befahrbaren Weg zu nehmen und das
Training doch noch zu laufen. Und es stellte sich heraus: Definitely worth it!
100-Posten-OL
Als Daisy mir von diesem Wettkampf, der in Estland beinahe
schon Kultstatus erreicht hat, erzählte, konnte ich mir kaum vorstellen, wie er
funktionieren soll. Muss man dazwischen auslesen? Badge wechseln? Kann man
zwischen den Posten überhaupt noch rennen oder sind sie zu nahe? Wie lange
dauert der Wettkampf? Und hat man wirklich 100 Posten?! Nein, auslesen oder
Badge wechseln muss man nicht. Die neusten Modelle haben genügend
Speicherplatz. Immerhin betrug der durchschnittliche Abstand zweier Posten auf
der Luftlinie 114.9m (Zum Vergleich: an der LOM beträgt er 445m und am 5.
Nationalen 210m), es war also durchaus möglich, Gas zu geben. Ich hatte 73 Minuten
und 12 Sekunden und „nur“ 67 Posten. Doch glaubt mir, dass war genug! Ich war
noch praktisch nie so erschöpft nach einem Wettkampf. Bei einer normalen
Langdistanz hat man immer wieder längere Abschnitte, bei denen man einfach
rennen und etwas abschalten kann. Hier musste man aber von Start bis Ziel voll
konsentriert sein. Sonst ist eine Suchaktion vorprogrammiert. Um die ganze Welt
reisen um noch einmal einen solchen Wettkampf zu rennen würde ich nicht. Würde
aber einer am Weg liegen wäre es sicher eine Überlegung wert. Und einmal in
seinem Leben sollte man ihn oder etwas Ähnliches schon gemacht haben... ;)
Paukjärv
Wir starteten also einen zweiten Versuch. Dieses Mal klappte
die Anreise ohne grössere Zwischenfälle. Es war der letzte Tag, ich war schon
etwas müde. Doch dieser Wald! Unglaublich schön, einen Traum für (fast) jeden
OL-Läufer. Weite Sicht, gut belaufbar. Aber nur in den weissen Teilen. Sobald
es grün ist auf der Karte gleicht es einem Urwald und man könnte sagen, dass es
dann seinen eigenen Reiz hat... ;)
Karten und Resultate der TOW: http://tow.ee/en/2015/results-online--gps/
In diesen zehn Tagen habe ich Estland in mein Herz
geschlossen und ich hoffe, dass ich es in nächster Zeit öfters besuchen kann.
Nur etwas fehlte mir in den drei Wochen im Norden. Die
Berge. Also beschloss ich, ein paar Tage ins Safiental zu fahren und mich dort
von der strengen Woche in Estland und den vielen Eindrücken zu erholen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen